6.2.2014, Blog
Ich lerne einen Kampfsport, und zugegeben, ich lerne langsam. Ich übe zu wenig (verstehen als: ich gehe ein mal pro Woche hin), um mir schnell neue Techniken anzueignen. Dennoch gibt es wenig, das mir mehr gute Laune bereitet als mein wöchentliches Wing Chun Training. Ich bin dabei meine Ausreden zu vergessen, warum ich nicht öfter hingehen kann. Und wenn ich zurückdenke, wo ich begonnen habe, so ist doch einiges selbstverständlich geworden und es motiviert, weiterzulernen.
Ein zentrales Element beim Wing Chun sind Formen. In diesen festen Abläufen sind viele Techniken enthalten, als Grundideen der Bewegungen. Der Grund, warum ich das erzähle ist, dass gestern unser Trainer großartiges dazu gesagt hat – Weisheit und Zielsetzung, die nicht nur für das Lernen einer Kampfkunst gilt:
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«Von der Form zur Formlosigkeit»
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Zuerst bewegt man sich in einem Gefüge, hält sich an Regeln, versucht diese zu verinnerlichen und ihnen möglichst *richtig* zu folgen. Wenn man sich sicher fühlt – und das ist das Ziel – lässt man diese hinter sich, und die angestrengte Präzision weicht der Leichtigkeit, einem Fluss.
Und ebenso, wie sich das im Wing Chun auf die tatsächliche Ausführung der Formen bezieht, gilt das – ebenso sehr! – in der Gestaltung. Das betrifft mich als Lehrende. Und das betrifft alle, die lernen (ja, mich auch). Das ist so unfassbar richtig und grundsätzlich, ohne dass ich es bisher so auf den Punkt bringen konnte – dabei halte ich seit einigen Jahren eine Vorlesung mit dem Titel «Ordnung und Unordnung»!
Für mich heißt das: alles was ich vermitteln und lehren kann, ist ein loses Regelwerk, Anhaltspunkte und Ideen, die durch gelungene Ausführungen durchscheinen. Es ist jedoch kein rein erlernbares Wissen – im Sinn von lernen und wiedergeben – sondern erfordert vielmehr üben und experimentieren, an Grenzen stoßen, sich so lange wiederholen, bis man über die Regeln hinauswächst.
Was sind nun diese Anker, ein bisschen etwas handfestes, einfaches? Jene Orientierung, die wir so dringend brauchen, gerade am Anfang?
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1. Zusehen & Lernen
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Wie so oft, führt der Weg über das Lernen von anderen. Nennt es Nachahmung – ich sehe es als den ersten Schritt zu eigenständigen Designs. Man lernt viel durch das Beobachten: Wie machen andere Designer etwas gut? Was sind die Details, die etwas besonders, es angenehm und richtig machen?
Es sind immer die Details. Zwischen grob und gerade richtig liegt nicht viel – und wir müssen unserem Auge und unserer Erfahrung vertrauen, dass sie die richtigen Entscheidungen treffen. Und daher finde ich: solange wir noch nicht geübt genug sind, lass uns die guten Stücke analysieren!
Beispiel Texte im Web: Welche Größen und Zeilenabstände lassen mich vergessen, dass ich lese, mich nur auf den Inhalt konzentrieren kann?
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2. Innerer Zusammenhalt oder:
Alles auf einer Seite erzählt eine gemeinsame Geschichte.
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Jedes Design ist ein in sich geschlossenes System. Mit Referenzen zu anderen, gewiss, aber es steht für sich und unterliegt seinen eigenen Regeln. Diese Regeln legen wir als Gestalter fest. Das heißt: Wofür auch immer ihr euch entscheidet – seid konsistent. Vielleicht sind die Entscheidungen nicht perfekt, aber wendet sie an und steht dazu!
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Keep the inner logic. Make it a system. And break your own rules once in a while when it’s too boring.
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Was können solche Regeln oder Entscheidungen betreffen?
… Den Einsatz von Schrift, und wie ihr Hierarchien damit sichtbar macht. Jede eingesetzte Formatierung sollte auch eine inhaltliche Bedeutung haben! Wenn Inhalte ausgezeichnet werden, sollte das in durchgängiger, wiedererkennbarer Form geschehen – es ist ja wünschenswert, dass unsere Leser uns verstehen.
… Das selbe gilt für Farben. Wenn es eine Auszeichnungsfarbe gibt (und das ist unendlich praktisch und daher wirklich eine Empfehlung), dann sollte sie immer dort eingesetzt werden, wo etwas wichtig ist. Das führt mich zum nächsten Punkt:
… Schafft Blickpunkte! Die wichtigste Information sollte auch in der Gestaltung hervorgehoben werden, damit sie als erstes erfasst und gelesen wird.
Resumé: Wie wahrscheinlich schon deutlich wird, sind die Inhalte ganz schön wichtig. Wir kommen als Designer niemals drum herum, sie zu definieren, ihnen eine Struktur zu geben, Prioritäten festzulegen und diese dann in eine visuelle Form zu übersetzen. Mit Schrift. Mit Farbe. Mit Größe. Und mit Anordnung. Erst wenn ich weiß, was ich erzählen möchte, kann ich eine passende Form dafür finden. Hier beginnt das experimentieren, und das ist erst der Anfang.
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Aber das Erzählen, Vermitteln von Ideen durch eine Form, die locker und präzise zugleich ist, das macht sehr glücklich.
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